Bieten Video-Interviews eine echte Alternative zu physischen Bewerbungsgesprächen?

Nachdem aufgrund der Corona-Massnahmen vielerorts Rekrutierungsprozesse angepasst werden mussten, sammeln viele Personalverantwortliche weitergehende Erfahrungen mit Video-Interviews als Variante für die traditionellen Bewerbungsgespräche. Inwiefern diese ein persönliches Gespräch vor Ort ersetzen können, ist ein Thema, mit dem sich Personalverantwortliche voraussichtlich auch in Zukunft beschäftigen werden müssen. In diesem Beitrag erläutern wir daher, ob Video-Interviews eine echte Alternative zu physischen Bewerbungsgesprächen bieten oder eher eine gute Notlösung darstellen.

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, betrachten wir zunächst die Informationen, welche wir im Interview gewinnen wollen. Nachdem die «Hard-facts» zum Werdegang, die Vorstellungen und die beruflichen Ziele der Bewerberinnen und Bewerber problemlos aus anderen Quellen (z. B. CV, Onlinetool, Telefongespräch) ermittelt werden konnten, geht es bei einem persönlichen Gespräch letztlich um die Chemie zwischen Kandidaten und Vorgesetzten, resp. dem Team.

Vorteile von virtuellen Bewerbungsinterviews

Video-Interviews bieten je nach Kameraauflösung und Übertragungsrate mehr oder weniger detaillierte Informationen über die Mimik und Gestik des Gegenübers. Zudem steht dieser Interviewmodus dem Face-to-face-Interview im Hinblick auf den Inhalt der Aussagen in nichts nach. Auch die zeitlichen, finanziellen und logistischen Einsparungen, die durch Video-Interviews erreicht werden, sind je nach Anzahl und Umfang der Gespräche beachtlich. Angesichts der inzwischen bestens etablierten und leicht bedienbaren Tools für die Videotelefonie stellt sich also die Frage: Warum sollten sich Unternehmen und Bewerber noch immer die Mühe machen, ein persönliches Treffen durchzuführen?

Der feine Unterschied zwischen Video-Interviews und Face-to-face-Gesprächen

Spontan erhält man auf diese Frage aus Personaler-Kreisen die Antwort: «Es fehlt doch etwas im Video-Interview.» Es wird deutlich, dass wir in einem Bewerbungsgespräch noch auf viel mehr achten als «bloss» auf den Gesichtsausdruck, den Inhalt der Aussagen, den Hintergrund und das Erscheinungsbild. Feinere Nuancen in Mimik und Gestik, wie beispielsweise unwillkürliche Mikroemotionen, ergänzen den Gesamteindruck wesentlich. Diese sind bei einer virtuellen Unterhaltung im Vergleich zu einem Face-to-face-Interview aber schwieriger zu erkennen. Auch andere Aspekte, wie die Sprechlautstärke oder die Intonation werden durch die Tonübertragung weniger gut beurteilbar. So kann es einerseits zu Verzerrungen kommen. Andererseits sollte bedacht werden, dass jede Partei die Gesprächslautstärke selbst in der Hand hat. Nicht zu vergessen ist an dieser Stelle auch der Eindruck, den man als Unternehmen den Kandidatinnen und Kandidaten vermittelt. Dazu gehören Eindrücke vom Arbeitsplatz, vom Ambiente im Gebäude oder vom Arbeitsweg. Zu all diesen Punkten fehlen im virtuellen Interview schlicht die Informationen.

Video-Interviews als gezielte Ergänzung des Bewerbungsprozesses

Vor diesem Hintergrund halten wir fest, dass Video-Interviews viele Vorteile bieten. Dennoch sind sie kein vollumfänglicher Ersatz für Bewerbungsinterviews vor Ort. Es empfiehlt sich, den Umfang von physischen Gesprächen gegebenenfalls zu reduzieren, wenn man virtuelle Interviews in den Bewerbungsprozess aufnimmt. Das komplette Ersetzen von Face-to-face- durch Video-Interviews ist angesichts der fehlenden Zusatzinformationen jedoch keine praktikable Option. Schliesslich wird die weitere Zusammenarbeit nicht nur virtuell, sondern auch physisch stattfinden.

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